Pressespiegel

der
Tour de Natur


Tour de Natur 1998

Da bewegt sich doch was!


Es ist Mittwoch und ich fahre mit dem Rad zum ICE-Bahnhof in Kassel. Die Sonne scheint und auf dem Vorplatz tanzt, singt und lacht ein bunter Haufen von Radfahrern aus ganz Deutschland vor dem Start zu einer 12-tägigen Tour durch Hessen, Thüringen und Bayern. Ich hatte mir vorher wenig Gedanken über das unausweichliche "Gruppenerlebnis" gemacht, aber ich werde schnell erfaßt von einer Stimmung, die ich mir schon manchmal heimlich gewünscht habe. Und schon setzt sich der ganze Pulk mit Polizeibegleitung in Bewegung durch die Stadt hinaus aufs Land. Ein paar Gesichter sind mir bekannt, viele soll ich in den nächsten Tagen noch kennenlernen. Wir fahren auf der Bundesstraße und bilden so manchen Stau hinter uns. Aber das ist wohl beabsichtigt auf dieser Demonstration für ein umweltfreundliches Verkehrskonzept zum Ausbau des Schienenverkehrs und zur kritischen Bewertung des Strassenverkehrs. Die Polizei macht ihre Arbeit so gut, daß wir uns richtig sicher fühlen können als "Karawane" auf einer viel befahrenen Straße. Wie hat sich doch mein Bild gegenüber den "Freunden und Helfern" in den letzten 20 Jahren geändert. Wir fahren paarweise, man unterhält sich und lernt sich kennen. "Bist du zum ersten mal dabei?" - "Wo kommst du her?" - "Wie heißt du eigentlich?" Bei so vielen Menschen passiert es schon einmal, daß man irgendwann zur Antwort bekommt: "Hast du mich das nicht gestern schon gefragt?"

Gegen Abend erreichen wir unser Quartier und das "Mampf-Mobil" (unser vegetarischer Verpflegungswagen) tritt in Aktion. Da wird eine Riesen-Pfanne aus dem Wagen gezogen, Stützen darunter geschraubt, Gasleitung angesetzt und schon brutzeln die Bratlinge. Der Suppentopf kocht irgendwo auf der Wiese und heißes Wasser steht schon für den Tee bereit. Ich schneide Zwiebeln und Knoblauch und fühle mich irgendwie sauwohl an diesem warmen Sommerabend. Geschichten werden ausgetauscht, die Fahrtroute besprochen und für ein paar Stunden gehört die Nacht dann auch noch dem Schlafsack.

Morgens heißt es packen, Fahrrad checken und ab geht's wieder auf die Piste. Ich lerne wie man sich beim Fahrradfahren die Zähne putzt. Entlang der Werra geht es Richtung Thüringen. Wir erobern die Marktplätze der Städte, spielen Theater, lassen den Pendolino vorbeirauschen, singen und kommen mit den Zuschauern ins Gespräch. Diese Reflexion ist sinnvoll, bis auf ein paar wenige "PS-Geier" - aber ich muß auch nicht jeden überzeugen. Ein Gespräch zwischen Bürgermeister und mitgebrachtem Verkehrsminister, ein Foto für die Presse, schnell noch eine Bratwurst und ab geht's mit Fahrradgebimmel wieder auf die Landstraße.

Ab Erfurt sind wir dann etwa 200 Teilnehmer - eine starke Gruppe! Menschen- und Fahrradtypen der verrücktesten Art - aber alle gut drauf Von 15 Monaten bis 67 Jahren ist alles vertreten, von Aussteigern bis Ingenieuren, von Sonntagsfahrern bis Rad-Fetischisten, von ganz Stillen bis zu unvermeidlichen Schwätzern.

Fährt man nun durch den Thüringer Wald oder über ihn? Wir müssen auf jeden Fall in der Hitze ganz schön strampeln bis wir oben sind. Die Schwachen werden von den Starken tapfer geschoben und keine(r) bleibt zurück. Auf der langen Abfahrt werden wir durch einen kräftigen Regenguß überrascht. Wir und unsere Klamotten sind total naß. Wir erstürmen eine kleine Turnhalle in Rekordzeit. Da werden Radtaschen ausgepackt, Schlafsäcke ausgebreitet, nasse Kleider auf langen Leinen aufgehängt, Kinder gewickelt, mit Bällen jongliert, Musik gemacht und manchmal auch geschmust. Vereinzelt bilden sich kleine Pärchen oder zumindest der zaghafte Versuch eines solchen. Die Letzten gehen gegen drei Uhr morgens ins Bett und die Ersten stehen gegen sechs Uhr schon wieder auf. In der Zwischenzeit kann man genau studieren, was für verschiedene Geräusche und Töne Menschen von sich geben können; ganz abgesehen von dem knarrenden Turnhallenboden, wenn nachts mal die Blase drückt.

Die Regengüsse der letzten Tage haben die gute Stimmung nicht schmälern können - ganz im Gegenteil. Wir fahren durch Bayern und die vermißte Sonne lacht uns wieder an. Eine Andacht auf freiem Felde an stark befahrener Straße; wir schmettern den Autofahrern einen Kanon entgegen und fahren gestärkt weiter zu unserem Ziel Suhl. Ich schreibe am Ende in das Tour-Tagebuch, daß ich mit dieser chaotischen Gruppe auch bis nach Afrika weiterfahren würde.

Noch Tage später spüre ich zu Hause etwas von dieser zauberhaften Stimmung, den freundlichen Menschen, dem Sattel unter meinem Hintern und den kleinen Botschaften unserer Auftritte. Soll es wirklich ein Jahr dauern bis wir wieder durch die Orte posaunen: "Wir sind die TOUR DE NATUR!"

Rudi Roy

 


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Organisator: ADFC Thüringen Webmaster: Ehrenfried Ehrenstein Pressesprecher: Klaus Schotte
Erstellt: 1999 URL: www.tourdenatur.net/prudiroy.htm letzte Änderung: 1999