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Thema: B170 E55 <-> Rollende Landstraße"Kreative Radtour für nachhaltige Verkehrspolitik und Lebensweise" |
Seitdem die Tschechische Republik am 1. Mai der EU beigetreten ist, haben einige Grenzübergänge an der tschechisch-deutschen Grenze einen Anstieg des LKW-Verkehrs um 30% verzeichnet. Grund: Vor der EU-Erweiterung hatten LKW bei der Einreise nach Deutschland aus der tschechischen Republik oft mit tagelangen Wartezeiten an der Grenzkontrolle zu rechnen und wählten deshalb als schnellere Alternative eine Schienenverbindung von Lovosice nördlich von Prag bis nach Dresden. Nach dem Wegfall der Kontrollen sind die LKW wieder auf der Straße. Und mangels einer Autobahn zwischen Prag und Dresden donnern tagtäglich tausende LKW auf den Landstraßen durch Städte und Dörfer in Böhmen und Sachsen.
Die Bahnverbindung namens RoLa (Rollende Landstraße) soll bis August 2004 eingestellt werden, sofern Klagen deutscher und tschechischer Bürgergruppierungen keinen Erfolg haben. Das Tschechische Verkehrsministerium hat seine Bereitschaft angekündigt, die Bahnverbindung weiter zu finanzieren, aber der Zug wird weiterhin Verluste einfahren und keine Kunden anziehen, solange es den LKW nicht verboten wird, Nebenstraßen zu benutzen oder nachts zu fahren, wie von der deutschen Gruppierung Lebenswertes Erzgebirge vorgeschlagen. Vor Mai waren die Züge zu 75% ausgelastet, jetzt liegt die Auslastung bei 9%.
Vor zwanzig Jahren standen die Tramper Schlange auf der Dresdner Südhöhe. Hoffnungsvoll hoben sie die Daumen, wenn ein Transiter mit ungarischem, bulgarischem oder gar schwedischem Nummernschild sich näherte und vielleicht eine spannende Reise in den Südosten Europas versprach. Sonderlich viele solcher begehrten Mitfahrgelegenheiten kamen damals nicht über die Fernverkehrsstraße F170 gerollt. Manchmal konnte schon eine halbe Stunde vergehen, bevor die Tramper wieder den Daumen heben mußten.
Nach der Wende schnellten die Lasterzahlen auf dieser Straße in die
Höhe. 1992 ließen die Behörden zählen und kamen auf über
700 Lkw, die pro Tag die alte, hoffnungslos überforderte Grenzzollanlage
in Zinnwald passierten. Eine schlimme Zumutung für Mensch und Natur -
und für die Grüne Liga Osterzgebirge Grund genug, als eine ihrer
ersten Aktionen damals die Grenze für eine halbe Stunde zu blockieren.
Der Freistaat Sachsen rechnete für die folgenden zehn Jahre mit einer
Verdoppelung des Verkehrsaufkommens auf der B170. Das zuständige Straßenbauamt
machte sich an die Planung von Maßnahmen, um die Strecke für diesen
Ansturm zu ertüchtigen. Der berüchtigte Possendorfer Berg wurde
ausgebaut, Dipps bekam eine Ortsumgehung, die jeden Winter von liegengebliebenen
Lastern versperrte Baukahre bei Oberbärenburg erhielt eine Überholspur
und so weiter und so fort. Der dicke Hammer kam dann 1996/1997, als Pläne
für den Neubau einer gigantischen neuen Grenzzollanlage zwischen Altenberg
und Zinnwald öffentlich gemacht wurden. Verzweifelt kämpfte sich
eine Handvoll Leute von der Grünen Liga durch Aktenberge, stritt auf
Erörterungsterminen mit den Behörden gegen den zu erwartenden Dammbruch
nach Öffnung dieser Schleuse. Den meisten Menschen an der B170 war damals
offenbar noch nicht klar, was dies bedeutete: Bislang war die Grenzabfertigung
der limitierende Faktor gewesen. Statt der prognostizierten Zunahme des Transitverkehrs
war die Lasterzahl bis dahin weitgehend konstant geblieben, freilich auf hohem
Niveau. Tatsächlich stieg der grenzüberschreitende Verkehr in der
Region, aber die Steigerung nahm die inzwischen eingerichtete Rollende Landstraße
auf. Seit 1994 gab es für die Speditionen die Möglichkeit, ihre
Lkws huckepack über die Elbtal-Eisenbahn von Dresden nach Lovosice, am
Erzgebirgskamm vorbei, transportieren zu lassen. Ein paar staatliche Subventionen
sollten diese vergleichsweise umweltfreundliche Variante schmackhaft machen.
Richtig lohnend war dies für die Unternehmen aber nur, weil auf der B170
vor Zinnwald immer viele Stunden Stau zu Buche schlugen.
Es kam, wie es kommen mußte: Vier Jahre vor dem EU-Beitritt Tschechiens
verschwanden dann doch 20 Hektar Bergwiesenlandschaft und Birkhuhnlebensraum
unter einer mindestens 80 Millionen Mark teuren, neuen Grenzzollanlage. Sofort
verdoppelte sich das Transitaufkommen auf der B170. Ein böses Erwachen
für die Anwohner. Viele zogen fort, einige der Hierbleibenden begannen
sich auf Initiative der Grünen Liga Osterzgebirge in einer Bürgerinitiative
zu engagieren. Bei den meisten der zuständigen Behörden und Politiker,
vom Landratsamt bis zum Bundesverkehrsministerium, stießen sie auf Ignoranz,
Ausflüchte, Tatenlosigkeit.
Mit Sintflutmethoden verschaffte der Himmel im August 2002 eine mehrmonatige
Denkpause. Auf weiten Strecken war die B 170 unpassierbar geworden. Die sächsische
Staatsregierung und ihr Straßenbauamt Dresden blieben nicht untätig:
Mit Hochdruck ließ man die Schäden beseitigen - und bei dieser
Gelegenheit die Straße an vielen Stellen gleich noch etwas verbreitern.
Fluthilfegelder machten es möglich.
Und ein ganz großer Coup sollte gestartet werden: der Neubau noch einer
Bundesstraße zwischen Dippoldiswalde und Altenberg, durch bislang unzerschnittene
Waldlandschaft. Dies rief viele Leute auf den Plan, die sich bislang durch
den Transitverkehr noch nicht sonderlich betroffen fühlten, nun aber
die Gefahr vor ihren Höfen und Haustüren heraufziehen sahen. Eine
neue Bürgerinitiative namens "Lebenswertes Erzgebirge" entstand.
Geschickt versuchte die Obrigkeit, Zwietracht zwischen den Anwohnern der "alten"
B170 und der geplanten "neuen" B170 zu schüren. Jahrelang hatten
sie die geplante neue Autobahn A17 als die Lösung für die unerträgliche
Situation an der Bundesstraße gepriesen. Davon war jetzt schon seit
einiger Zeit keine Rede mehr (Veterinärkontrollen sind z.B. auch nach
Fertigstellung der A17 nur am Übergang Zinnwald vorgesehen). Doch genau
dieselben Argumente wurden nun für die Rechtfertigung von 40 Hektar Flächenversiegelung
für die B170neu strapaziert. So mancher Einwohner von Ulberndorf, Obercarsdorf,
Schmiedeberg und Kipsdorf war in seiner Verzweiflung bereit, an diesen hingehaltenen
Strohhalm zu glauben.
Nichtsdestotrotz: die Bürgerinitiativen fanden sehr bald zusammen und
engagieren sich jetzt gemeinsam für umwelt- und menschenverträgliche
Verkehrslösungen im Grenzraum zwischen Sachsen und Tschechien.
Immer mehr Menschen erkennen die Wurzel des Übels, nämlich alle
beliebigen Güter nur von den billigsten Arbeitskräften produzieren
und dann auf Europas Straßen zwischenlagerfrei zu den Verbrauchern transportieren
zu lassen. Das durch vergangene Waldsterben ohnehin schon geschundene, andererseits
aber außerordentlich reizvolle Osterzgebirge droht dabei zum puren Transitkorridor
zu verkommen. Ungedrosselte Lasterströme auf der Autobahn Dresden - Prag,
auf der B 170 und womöglich auch noch auf einer neuen Bundesstraße
dazwischen drohen die Region unter einer Abgaswolke zu ersticken. Dagegen
helfen nur Bürgerengagement und Zivilcourage.
Jens Weber
Bürgerinitiative "Lebenswertes Erzgebirge" (B170)
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Erstellt: 2004 | URL: www.tourdenatur.net/themen/index.php | letzte Änderung: 20. Oct 2004 | Menü |